Was bedeutet Lernen?

Was bedeutet Lernen?

Menschen sind wahrscheinlich die lernfähigsten Lebewesen der Erde. Die hohe Lernfähigkeit ermöglicht eine enorme Anpassungs- und Adaptionsfähigkeit, so dass der Mensch im Laufe seiner Entwicklung die unterschiedlichsten Lebensräume besiedeln konnte und ganz unterschiedliche Kulturtechniken sowie Sprachen ausprägte. In der modernen Welt findet Lernen nicht weniger intensiv statt. Entwicklungen, die einst Generationenzeiträume benötigten, vollziehen sich heute innerhalb weniger Jahre. Die Fortschritte in den Naturwissenschaften und in der Digitalisierung können dies blitzlichtartig veranschaulichen. In einer globalisierten, hochtechnisierten und enorm dynamischen Welt steht Lernen vor besonderen Herausforderungen, hat aber auch Möglichkeiten in nie gekanntem Ausmaß.

Der Mensch lernt von Natur aus auf vielfältige Weise, beispielsweise durch Beobachtung, Nachahmung, spielerisches Ausprobieren, Fragenstellen, Dialogführung. Auf natürliche Weise wird beispielsweise die Muttersprache erworben, werden eventuell sogar mehrere Sprachen erlernt. Das Gehen, Schwimmen, Fahrradfahren erlernen die meisten Kinder gern und leicht mit etwas Unterstützung. Grundlage des Lernens ist die Gehirnaktivität. Das Gehirn steuert sämtliche Lernprozesse und wird selbst durch diese Lernprozesse geformt. Das Gehirn entwickelt sich so, wie es genutzt wird (siehe Vortrag von Prof. Korff). Man spricht hier auch von "neuronaler Plastizität". Umso wichtiger ist es, das Gehirn richtig zu nutzen und zu trainieren, insbesondere in der besonders sensiblen Zeit der Adoleszenz, in der das neuronale Netz des Gehirns neu verknüpft wird.  

In der Zeit der Adolsenzenz entsteht die neue neuronale Gehirnstruktur, welche die Persönlichkeit und ihr Lernverhalten ein Leben lang prägen wird. Daher ist es besonders wichtig, in dieser Zeit die richtigen Impulse zu nutzen und das Gehirn richtig zu trainieren, es beispielsweise nicht mit Computerspielen zu überfüttern, sondern die Aktivitäten abwechslungsreich zu gestalten und auf Kompetenzen auszurichten, die lebenslang von Bedeutung sind. Aktivitäten, die nicht von vornherein kognitiv erscheinen, sind ebenfalls sehr wichtig, da das Gehirn nicht nur die Kognition steuert, sondern alle körperlichen Aktivitäten und Bewegungen. Vereinfacht gesprochen: Das etwas altertümliche Sprichwort "Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr" könnte man aktualisieren zu: "Was Hänschen und Hans nicht lernen, lernt Hans Senior nur noch schwer". Die Zeit der Adoleszenz ist aber nicht nur die Phase, in der die neuronalen Strukturen neu aufgebaut werden, sondern es ist auch die Phase, in der Jugendliche Autonomie gewinnen, Partnerschaftserfahrungen sammeln und vieles für ihre Persönlichkeitsentwicklung tun, um selbständig leben zu können und ein eigenes Lebensmodell aufzubauen. Dies kann mit schmerzlichen Abgrenzungsprozessen gegenüber der kindlichen Lebenswelt verbunden sein, mit Krisen - für Jugendliche eine schwierige Zeit. Auch Eltern und Pädagogen müssen ihr Verhalten anpassen, die Gratwanderung meistern zwischen Kontrolle und Freiheit, Da-Sein und Raum-Geben, Angst oder Sorge und Vertrauen. Es ist besonders wichtig, dass Elternhaus und Schule gut kooperieren und das Wohl des Jugendlichen im Blick haben, ohne sie oder ihn zu bevormunden.

Besonders wertvoll ist es, wenn Jugendliche Verantwortung übernehmen und dabei neue und wertvolle Erfahrungen sammeln - nicht nur in der Schule, sondern auch außerhalb, etwa in Vereinen oder Gemeinden. Dies stärkt auch das Selbstbewusstsein und die Rollenfindung. Am Gymnasium Bammental gibt es viele Möglichkeiten, wie sich Jugendliche kreativ und verantwortungsbewusst einbringen können.

Das schulische Lernen vollzieht sich zunächst in sehr natürlicher und oft spielerischer Weise, unterstützt von der vertrauensvollen Beziehung, die viele Kinder gegenüber Lehrerinnen und Lehrern ausprägen. Die Rahmenbedingungen des Lernens verändern sich mit der Zeit. Die Inhalte des Lernen werden abstrakter, die soziale Orientierung wird von den Lehrerpersönlichkeiten zunehmend auf Mitschülerinnen und Mitschüler gelenkt. Erfolgserlebnisse, die das Lernen verstärken, benötigen zunehmend mehr Zeit und Aufwand. So geschieht es im Laufe der schulischen Entwicklung häufig, dass das Lernen phasenweise schwerfällt und unnatürlich erscheint. "Wozu lernt man das überhaupt? Das braucht man doch nie im Leben!" - so lautet ein häufig verwendetes Argument von Jugendlichen. Hier zeigt sich eine Fähigkeit zum Hinterfragen, die Kinder noch nicht oder nur selten haben. Die Überlegung kann allerdings auch zur Demotivierung führen, wenn sie gewissermaßen als "Killerargument" verwendet wird. Fünft- oder Sechstklässler sammeln neugierig Informationen auf, wie die Menschen im Alten Ägypten lebten - obwohl sie diese Information in ihrem zukünftigen Leben wahrscheinlich niemals in direkter Weise benötigen. Acht- und Neuntklässler hingegen tun sich manchmal schwer mit dem Englischlernen, obwohl diese Sprache ganz zweifellos ihr zukünftiges Leben mitbestimmen wird. Das Nützlichkeitsargument allein hilft nur bedingt, wenn es darum geht, die Lernmotivation zu stärken. Geeigneter sind Feedback, soziale Anerkennung, Erfolgserlebnisse und Selbstwirksamkeitserfahrungen.

Die Komplexität des schulischen Lernens hat mit der Komplexität der Welt zu tun, in der wir leben. Dies lässt sich in interessanter Weise nutzen, wie die Physik-Exkursion in einen Freizeitpark auf dem Foto zeigt. Hier erkunden Schülerinnen die Zentrifugalkraft. Aber natürlich lässt sich das Lernen komplexer Inhalte nicht immer so leicht mit Spaß verbinden, schon deshalb nicht, weil Menschen, um ihr Leben erfolgreich zu gestalten, mit Herausforderungen umgehen müssen. Schulisches Lernen richtet sich nicht nur auf inhaltliche Wissensbestände, sondern ebenso auf Kompetenzen, beispielsweise Kommunikation, Argumentation, Reflexion, Anwenden, Verknüpfen u.v.m. Kompetenzen können nicht unabhängig von Inhalten oder Situationen erworben und ausgeprägt werden, Inhaltslernen und Kompetenzerwerb gehen Hand in Hand.

Damit Lernen gelingt, ist es wichtig, auf die Lernumgebung und den sozialen Zusammenhang, auf Lehr- und Lernmethodik zu achten und das Selbstvertrauen zu stärken. Am Gymnasium Bammental betrachten wir Lernen daher als ganzheitlichen Prozess, zu dem ein gutes soziales Klima gehört. Lehrerinnen und Lehrer bilden sich ständig fort, Konzepte des Differenzierungsunterrichts und der Feedback-Praxis entwickeln sich weiter. Die Klassenlehrerstunde wird für Einheiten zum Methodentraining genutzt und vieles mehr. Dabei orientiert sich die Schule an aktuellen Erkenntnissen der Didaktik, der Hirnforschung und der Bildungsforschung.

Von zunehmender Bedeutung ist die Digitalisierung, die konstruktiv, aber auch kritisch genutzt wird, um Lernprozesse zu unterstützen und auszudifferenzieren. Digitalisierung des Unterrichtens und Lernens soll nicht auf Kosten sozialer Beziehungen oder inhaltlicher Vertiefung gehen, sondern diese intensivieren und neue Potenziale erschließen. Beispielsweise werden iPads eingesetzt, um Visualisierungs- und Modellierungsmöglichkeiten zu optimieren und zu beschleunigen, um Individualisierung und Selbstständigkeit im Zusammenspiel mit kooperativen Arbeitsformen zu stärken, um Diagnostik und Feedback auszubauen. Vor diesem Hintergrund befasst sich beispielsweise die Steuergruppe Unterrichtsentwicklung intensiv mit der Digitalisierung des Unterrichts, stärkt aber gleichzeitig durch das Programm Bewegte Schule den körperlichen Ausgleich und das soziale Lernen im Sinne einer ganzheitlichen Persönlichkeitsentwicklung. Auch die digitalen Arbeitsformen unterstützen die Kooperation unter den Schülerinnen und Schülern sowie Lehrerinnen und Lehrern.

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