Ein ganzer Ort zeigt Wärme
Wie Bammental die Ukraine-Hilfe bewältigt
Bammental. Applaus ist im Gemeinderat eine Seltenheit. In der jüngsten Sitzung des Gremiums sahen sich die Bürgervertreter gleich mehrfach dazu veranlasst, kräftig in die Hände zu klatschen und damit ihrem Dank und ihrer Anerkennung Ausdruck zu verleihen. Es ging um die Unterstützung für Geflüchtete aus der Ukraine, die in der Elsenztalgemeinde besondere Dimensionen angenommen hat. „Wir haben es geschafft, rund 100 Menschen bei uns unterzubringen“, fasste Bürgermeister Holger Karl tief beeindruckt die Hilfs-bereitschaft seiner Gemeinde zusammen.
Die treibende Kraft: Die Bammentaler Hausärztin Liane Wirth hat knapp 50 Geflüchtete per Reisebus von der polnisch-ukrainischen Grenze nach Bammental gebracht und zusätzlich viele Dutzende ins Elsenztal vermittelt. Sie hat einen·ukrainischen Vater und eine deutsche Mutter, ist in Kasachstan geboren, spricht Russisch und versteht Ukrainisch. „Sie hat außergewöhnliches Engagement, Mut und Gespür für den richtigen Moment bewiesen“, erklärte Rathauschef Karl, warum die Elsenztalgemeinde seinem Empfinden nach anderen Kommunen ein ganzes Stück voraus sei. „Bammental steht ganz vorne, was Herzlichkeit und Gastfreundschaft angeht“, zeigte sich auch Wirth selbst „sehr gerührt und glücklich, Bammental als warmen Ort und Kinderstadt den Frauen und ihren Kindern präsentieren zu können.“ Sie wisse, was es bedeutet Heimat zu verlassen und eine neue zu finden: Wirth erzählte auch von ihrer Mutter, deren Familie im Zweiten Weltkrieg von der Halbinsel Krim nach Kasachstan deportiert wurde. „So wie meine Oma damals mit Kleinkind und Säugling und nur mit Sommerkleidung floh, sehe ich nun Familien bei uns ankommen“, wurde sie persönlich. Was ihr Hoffnung gibt, sind die Augen der Frauen. In den Notunterkünften in Polen habe sie Angst und Schockstarre gesehen. „Hier sehe ich jetzt in ganz andere, gelöste Gesichter.“
Die Geflüchtete: „Es ist schwer, über all diese furchtbaren Dinge zu sprechen, währenddessen Russland auf unsere Städte bombt.“ Uliana Pukhova schüttete im Gemeinderat ein Stück weit ihr Herz aus. Die 42-Jährige ist mit ihren zwei Kindern vor rund drei Wochen in Bammental angekommen . und sprach auf Einladung des Bürgermeisters vor dem Gremium. Der Krieg in der Ukraine habe nicht vor einem Monat, sondern bereits 2014 begonnen, schilderte die Englisch-Lehrerin, die damals aus ihrer Geburtsstadt Donezk im Donbass nach Dnipro geflohen war – und nun ganz aus ihrem Heimatland. Pukhova erzählte von der einwöchigen Flucht, der Angst, den Engpässen von Nahrungsmitteln, Benzin, Gas und vielem mehr, verstorbenen Bekannten und Freunden im belagerten Mariupol, die sie nicht mehr erreichen kann ... „Wir sind ein unabhängiges, glückliches Land, das seine Sprache, Geschichte und Unabhängigkeit liebt und nicht nach den Regeln eines anderen Landes leben möchte“, betont sie. Sie hofft, bald in ihre Heimat zurückkehren zu können. Zu Hause seien sie keine armen Menschen, führen ein glückliches Leben mit Haus und Hund. „Hier habe ich nun nichts“, betont Pukhova, die umso mehr den Bammentalern für ihre Gastfreundschaft dankt.
Das Helfer-Netzwerk vor Ort: In Zeiten der Pandemie, in denen Corona-Impfungen noch heiß umkämpftes Gut waren, schlugen sich die Verantwortlichen des Familienzentrums für das Buchen von Impfterminen für Senioren und das Organisieren von Fahrten die Nächte um die Ohren. Nun hob Rathauschef Karl das Wirken des Teams um Leiter Rene Richter hervor, das zeitweise den Normalbetrieb eingestellt hat: „Bei unendlich vielen berührenden Gesprächen und Geschichten kann man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen“, stellte Richter im Gemeinderat klar und zählte auf: mehrere Sprachkurse, Betreuung für Jungen und Mädchen im Kindergartenalter sowie Angebote für Schüler in Absprache mit den örtlichen· Schulleitern, Unterstützung bei Behördengängen und vieles mehr. „Was in den vergangenen Wochen entstanden ist und die Eigeninitiative der Ukrainer sind total bewegend“, sagte Richter. Er betonte im Zusammenhang mit der neu eingerichteten Kleiderkammer im ehemaligen BSB-Laden an der Elsenzbrücke die Wichtigkeit, auch die Ärmeren unter den Bammentalern nicht zu vergessen. Was die Flüchtlingshilfe. angeht, fanden sich im Gemeinderat weitere Anknüpfungspunkte: Auf Anregung von Friedbert Ohlheiser (CDU/BV), neben den Sport- auch weitere örtliche Vereine einzubinden, zeigte Bürgermeister-Stellvertreter Wilhelm Müller als Vorsitzender des Liederkranzes Bammental Bereitschaft. „Singen könnte therapeutisch sehr heilsam wirken“, sah Ärztin Wirth bei den traumatisierten Geflüchteten großen Bedarf.
Die Sicht des Schulleiters: Benedikt Mancini vom Bammentaler Gymnasium sprach neben der tollen Hilfsbereitschaft an den Schulen einen Punkt an, der ihn besonders sorge. Der Schulleiter berichtete von einer größeren Gruppe von Familien, die an dem aus der Ukraine heraus organisierten Online-Unterricht teilnehmen wollen. Und damit nicht hiesigen Schulen gehen. „Viele Eltern sind hin- und hergerissen. Sie haben Angst, dass ihre Kinder im ukrainischen Schulsystem nicht versetzt werden“, erklärt Mancini das Motiv einiger Geflüchteten (…). Dabei würden in Bammental etwa vom Kurpfalz-Internat gar Intensivkurse zum Deutschlernen angeboten.
(RNZ vom 31. März 2022 (Benjamin Miltner))